Phasenschieber

Wie im letzten Artikel beschrieben wurde, wird Blindleistung als Teil der in Maschinen erzeugten Gesamt- bzw. Scheinleistung in der elektrischen Energietechnik in Form von Kraftwerksanlagen oder Phasenschiebern unter anderem zur Stabilisierung des elektrischen Energieversorgungssystems eingesetzt, was in diesem Beitrag näher erläutert werden soll.

Die im Endverbraucher nicht nutzbare Blindleistung darf im elektrischen Netz festgelegte Grenzen hinsichtlich ihrer Menge bzw. Höhe nicht unter- und überschreiten. Weicht die von der Leistung abhängige Spannung und in der Folge die Frequenz des Stromnetzes zu stark von ihren fest definierten Normwerten ab, so kann ein stabiler Systembetrieb und damit eine kontinuierliche Elektrizitätsversorgung nicht mehr gewährleistet werden: Der Energiefluss durch das Leitungsnetz würde dadurch gestört oder sogar unterbrochen. Um einen solchen Spannungs- und Frequenzabfall zu vermeiden, kommen in der elektrischen Energietechnik nun die auf dieser Internetseite bereits behandelten Synchronmaschinen zum Einsatz. Diese können entweder im Bedarfsfall Kraftwerksanlagen selbst oder aber separat installierte Aggregate in Form spezieller rotierender elektrischer Maschinen sein, die unabhängig von Kraftwerksstandorten zum Beispiel im Bereich von Umspannwerken verbaut sind. Wie bereits ausgeführt können Synchronmaschinen von Erzeugungseinheiten sowohl als Generator wie auch als Motor verwendet werden, während dies bei autarken Synchronmaschinen aufgrund ihrer für den reinen Phasenschieberbetrieb ausgelegten spezifischen Bauart nicht möglich ist. Beiden Ausführungen gemeinsamen ist jedoch ihre zentrale Wirkungsweise, um den Leistungsfluss im Stromnetz gezielt zu beeinflussen bzw. zu steuern.

Phasenschieber oder Kraftwerke im reinen Phasenschieberbetrieb geben keine elektrische (Wirk-)Leistung an das synchronisierte Verbundnetz ab, sondern erzeugen ausschließlich Blindleistung zu seiner Stabilisierung. Des Weiteren werden damit – wie im letzten Beitrag erläutert – Verbraucher wie Motoren, Generatoren oder Transformatoren gespeist, welche zu ihrer Funktion ein Magnetfeld benötigen. Durch den so erzeugten Blindstrom wird dieses elektrostatische oder -magnetische Feld entsprechend des Wechselspannungstaktes kontinuierlich auf- und wieder abgebaut (umgepolt). Der Blindanteil an Leistung bzw. Strom verbraucht sich gegenüber dem Wirkanteil jedoch nicht, sondern pendelt zwischen Erzeuger (z. B. Generator oder Transformator) und elektrischem Verbraucher verlustfrei hin und her und belastet so gemeinsam mit der nutzbaren Energie sowohl das Netz als auch seine o. g. angeschlossenen Knoten. Aus diesem Grund müssen Netz- und Betriebsmittelsysteme stets für die erzeugte Gesamt- in Form der Scheinlast ausgelegt sein. So wird auch die Nenngröße dieser Erzeugereinheiten in der installierten Scheinleistung und damit in der Einheit Volt Ampere [VA] angegeben und liegt in der industriellen Anwendung in der Regel im zwei- bis dreistelligen MVA-Bereich.

Die Regelung dieser Geräte, die aus Gründen der Betriebssicherheit mit einem separaten, asynchron arbeitenden Anlaufmotor versehen sind, erfolgt über die magnetische Feldstärke, welche auch als magnetische Erregung bezeichnet wird. In einem Wechselstromkreis verhalten sich die Kurvenverläufe von Strom und Spannung phasengleich, wenn ein idealer (= rein ohmscher) Widerstand zwischengeschaltet wird. Da dies in der Realität jedoch nicht der Fall ist, sind beide Größen hinsichtlich ihres jeweiligen Nulldurchgangs voneinander verschieden und somit phasenverschoben (daher die Namensgebung der hier behandelten Maschinen), wobei der Strom je nach Lastart (induktiv oder kapazitiv) der Spannung voraus- oder nachläuft. Somit bestimmt der beschickte Verbraucher den jeweils notwendigen gegenläufigen Blindleistungs- bzw. stromanteil nach Betrag und Vorzeichen (induktiv oder kapazitiv), um seinen installierten Blindanteil möglichst vollständig kompensieren zu können. Diese Verschiebung wird in der Elektrotechnik über den Winkel φ (griechisch: Phi) angegeben. Die Einstellung der stufenlos erzeugten induktiven oder kapazitiven Blindleistung Q [Var] erfolgt in Phasenschiebern nun über den sogenannten Leistungsfaktor cos φ, der das Verhältnis von Wirkleistung P [W] zu Scheinleistung S [VA] angibt und zwischen 0 und 1 liegt. Der Kosinus des Phasenverschiebungswinkels ist demnach ein Maß dafür, welcher Anteil der gesamten Scheinleistung in nutzbare Wirkleistung umgesetzt wird.

Um Übertragungsverluste beim Stromtransport zu minieren bzw. zu vermeiden, wird ein möglichst hoher Leistungsfaktor angestrebt. Im Idealfall oder in Gleichstromkreisen liegt der Wirkfaktor bei 1 (keine Verschiebung, d. h. P = S und somit Q = 0), in der Realität bzw. in mit Wechselspannung betriebenen Systemen jedoch nur bei etwa 0,95, wobei er in er Regel mindestens 0,9 betragen muss. Die Untergrenze des Lastfaktors (0) stellt sich bei einem Phasenwinkel von φ = 90° zwischen Strom und Spannung ein, so dass dementsprechend nur Blindleistung erzeugt wird (S = Q wegen P = 0). Um den Wirkleistungsfaktor zu erhöhen, kommen in der elektrischen Energietechnik zur Reduktion bzw. Kompensation der Verschiebungsblindleistung die hier beschriebenen Anlagen über die Schaltung von Kondensatoren oder Drosseln zum Einsatz. Phasenschiebermaschinen kommen jedoch auch dort zur Anwendung, wo Erzeugereinheiten keine oder nur unzureichend Blindleistung zur Spannungs- bzw. Frequenzstabilisierung des vermaschten Elektrizitätsversorgungsnetzes bereitstellen können.