Nach den einschlägigen Implementierungsvorschriften der sogenannten System Operation Guideline (SO GL; Verordnung Nr. 2017/1485 der EU-Kommission vom 02. August 2017 zur Festlegung einer Leitlinie für den Übertragungsnetzbetrieb) – ehemals ENTSO-E Reserve Resource Process (ERRP) bzw. Generation and Load Data Provision Methodology (GLDPM) – müssen europäische Anlagenbetreiber von Kraftwerken zur Strom- und Wärmeerzeugung umfangreichen Melde- und Datenaustauschpflichten gegenüber den nationalen und europäischen Netzagenturen nachkommen.
Im Rahmen dieser Datenaustauschkommunikation sind diverse Stamm-, Planungs-, Nichtverfügbarkeits- sowie Echtzeitdaten rund um die Kraftwerkseinsatzplanung von den betroffenen Anlagenbetreibern an den jeweiligen Anschlussnetzbetreiber zu übermitteln. In der Marktrolle des Einsatzverantwortlichen (EIV) ist dieser für die Betriebsführung und die Einsatzplanung seiner technischen Ressource(n) sowie für die Übermittlung der Fahrpläne verantwortlich und muss die für den Übertragungs- oder Verteilnetzbetreiber erforderlichen Daten seiner Anlage(n) aktuell und vollständig gemäß den gesetzlichen Verpflichtungen respektive den entsprechenden Beschlüssen der Agency for the Cooperation of Energy Regulators (ACER; Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden) und der Bundesnetzagentur (BNetzA) zur Informationsverarbeitung bereitstellen.
Einer der meldepflichtigen Datenpunkte ist das sogenannte negative Redispatchvermögen (ID: –RDV), aus dessen Zeitreihe in viertelstündlicher Granularität für die zuständige Netzbetriebsführung hervorgeht, wieviel Leistung aus dem jeweils gemeldeten Kraftwerk im Rahmen von Netzentlastungsmaßnahmen zur Verfügung steht, um Redispatchvorgänge planen und bei Bedarf als Systemdienstleistung abrufen zu können. In diesem Fall handelt es sich demnach um eine negative Vorhaltung, was bei Abruf ein Absenken oder gar Abfahren einer Erzeugungseinheit zur Vermeidung einer Überlastung des Stromnetzes, beispielsweise bei einem außerplanmäßig hohen Offshore-Windaufkommen, bedeutet. Weiterführende Informationen zum Thema Redispatch finden sich auf dieser Internetseite zum Beispiel in den Artikeln „Redispatching durch Übertragungsnetzbetreiber“ oder „Das EnWG als Rechtsgrundlage für Redispatch-Maßnahmen“.
Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) erzeugen sowohl Strom als auch Wärme, so dass je nach Betriebszustand der Anlage eine Differenzierung in Bezug auf die negative Leistungsvorhaltung möglich ist: Befindet sich das Kraftwerk zwecks Stromproduktion im Kondensationsbetrieb – und / oder wird der Dampf bzw. ein bestimmter Masseanteil davon vor der Dampfturbine für die Auskopplung von Fernwärme entnommen. Aus diesem Grund wurde von der BNetzA kürzlich ein weiteres Datum in Form des sogenannten negativen wärmegeführten Redispatchvermögens für KWK-Strom (ID: –wRDV) eingeführt, das Anlagenbetreiber im Rahmen der KW-Meldeprozesse an ihren Netzbetreiber übermitteln müssen.
Steht dem Netzbetrieb negative Redispatchvorhaltung aus einer Stromerzeugungseinheit (SEE) oder einer Stromspeichereinheit (SSE) zur Verfügung, so soll vom meldenden EIV angegeben werden, ob bei dessen Aktivierung in die Strom- oder darüber hinaus auch in die Wärmeerzeugung der Anlage eingegriffen wird. Sofern dem Kraftwerksbetreiber eine solche Aufteilung zwischen Kondensationsstrom und Dampfentnahme vor Turbine möglich ist, wird der elektrische Anteil demzufolge in der Datenreihe –RDV ausgewiesen und die thermische Leistungsscheibe dem Datum –wRDV zugeordnet.
Durch die neue Zeitreihe wird insbesondere sichergestellt, dass der Einspeisevorrang für KWK-Strom aus hocheffizienten KWK-Anlagen gewahrt wird und Netzbetreiber das negative wärmegebundene Redispatchvermögen für KWK-Strom mit den jeweiligen Plan- oder Ist-Kosten bei der Abrufentscheidung berücksichtigen können. Eine KWK-Anlage gilt nach der europäischen Energie-Effizienz-Richtlinie als hocheffizient, wenn die in der KWK-Anlage erzeugten Mengen an Strom und Wärme gegenüber der getrennten Erzeugung in einer Referenzanlage eine Primärenergieeinsparung in Höhe von mindestens 10% aufweisen (Hocheffizienzkriterium).