Im vorangegangenen Artikel „Die atypische Netznutzung I“ wurde das Thema der individuellen Nutzung des Stromnetzes durch Großverbraucher wie Industrie- oder Gewerbekunden skizziert. In diesem Beitrag soll nun näher auf die unterschiedlichen zeitlichen und genehmigungsrechtlichen Rahmenbedingungen bei einer Teilnahme von Stromkunden an der atypischen Netznutzung eingegangen werden, die von Netzbetreiber, Regulierungsbehörde und Gesetzgeber vorgegeben sind.
Grundlage für die Berechnung der sogenannten Hochlastzeitfenster ist der Zeitraum vom 01. September des Vorvorjahres bis zum 31. August des Vorjahres und umfasst als Referenzzeitraum somit zwölf Monate. Die Ermittlung der Spitzenlastzeit/en erfolgt stets durch den jeweiligen Anschlussnetzbetreiber, wobei dieser den Vorgaben anhand eines einheitlichen Berechnungsverfahrens der übergeordneten Aufsichtsbehörde in Form der Bundesnetzagentur (BNetzA) folgt.
Die Prognose der Hochlastzeitfenster, die im Übrigen ausschließlich an Werktagen gültig sind, müssen vom Netzbetreiber bis spätestens zum 31. Oktober eines jeden Jahres für das folgende Kalenderjahr (01.01. – 31.12.) im Internet veröffentlicht werden. Diese werden als Jahreszeit(en) (und darin mit den einzelnen viertelstundengenauen Uhrzeiten) angegeben, wobei sich die vier saisonalen Zeiträume wie folgt bemessen:
- Winter: 01. Dezember – 28./29. Februar
- Frühling: 01. März – 31. Mai
- Sommer: 01. Juni – 31. August
- Herbst: 01. September – 30. November
Wichtig ist in diesem Zusammenhang zu wissen, dass Wochenenden, bundeseinheitliche Feiertage, maximal ein Brückentag sowie die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr auch in den prognostizierten Spitzenlastzeitfenstern als Nebenzeiten gelten.
Verbraucher können sich bei ihrem Netzbetreiber und der BNetzA für eine Teilnahme an der atypischen Netznutzung gemäß § 19 StromNEV (für das erste Anwendungsjahr bis spätestens zum 30.09. des Vorjahres) anmelden, sofern sie bestimmte Kriterien für eine entsprechende Genehmigung erfüllen. Neben den o. g. Sachverhalten sind dies in erster Linie eine mengenmäßige sowie eine finanzielle Bedingung. Erstere liegt in der sogenannten Erheblichkeitsschwelle, die Endkunden grundsätzlich zwingend vorweisen müssen, um ein verringertes Netzentgelt überhaupt geltend machen zu können. So muss die Netzbezugsspitze innerhalb der Hochlastzeit erheblich und damit ausreichend geringer sein als außerhalb der vom Netzbetreiber definierten Fenster.
Die prozentual angegebenen Erheblichkeitsgrenzen orientieren sich dabei an den einzelnen Spannungs- bzw. Umspannungsebenen. Für die HöS gelten 5%, für die HöS/HS und die HS 10%, für die HS/MS und die MS 20% und für die MS/NS und die NS schließlich 30%, die mindestens einzuhalten sind. Für das im letzten Artikel angeführte Zahlenbeispiel ergibt sich die Erheblichkeit beispielsweise zu (100 MW – 70 MW) / 100 MW = 30% und erfüllt somit den Grenzwert in Höhe von 10% für das Hochspannungsnetz. Die absolute Leistungsverlagerung des teilnehmenden Stromkunden muss unabhängig davon mindestens 100 kW betragen. Bzgl. der o. g. Berechnung des bewerteten Leistungsanteils (Leistungsreduktion [kW] x Leistungspreis [EUR/kW]) muss ferner eine sogenannte Bagatellgrenze in Höhe von 500 EUR erreicht werden, um den mit dem Antragsverfahren einhergehenden Verwaltungsaufwand decken zu können.
Auch wenn man die Berechnungsmethodik zur Bestimmung der Spitzenlastzeiträume nicht im Einzelnen kennt, so kann in der Praxis tendenziell davon ausgegangen werden, dass der / die Größtverbraucher im betrachteten Netz durch ihr jeweiliges Nutzungsverhalten der aktuellen Berechnungsperiode (s. o.) die Hochlastzeitfenster des kommenden Kalenderjahres auf ihrer Spannungsebene bestimmen oder zumindest zu einem großen Teil beeinflussen.
Unter diesem Internetlink findet sich exemplarisch die offizielle finale Prognose der Hochlastzeitfenster für die atypische Netznutzung auf der Hochspannungsebene des Netzgebietes Bremen des dort zuständigen Verteilnetzbetreibers wesernetz Bremen GmbH für das aktuelle Jahr.