Wie bereits erwähnt, spielen die am jeweiligen Standort vorherrschenden Windverhältnisse und Windrichtungen eine entscheidende Rolle bei der Auslegung und Projektierung von Windparks im Meer. In diesem und den folgenden Artikeln sollen daher Betrachtungen bezüglich der Windbedingungen im Offshore-Bereich vorgenommen werden.
Die höheren Windgeschwindigkeiten über See und die damit verbundenen größeren Ertragspotenziale sind neben den im Gegensatz zum Binnenland unbeschränkteren Platzverhältnissen ein wesentlicher Anreiz für die Offshore-Aufstellung von Windkraftanlagen. In einer Entfernung von 20 bis 30 km vor der Nordseeküste beträgt die mittlere Jahreswindgeschwindigkeit in einer Höhe von 10 m dabei etwa 8,0 bis 8,5 m/s.
Für die Ostsee liegt dieser Wert fast auf gleicher Höhe, obwohl im maritimen Küstenbereich der Ostsee durchweg niedrigere Werte als an der Nordseeküste registriert werden. Im Vergleich zu den windmäßig günstigsten Standorten an Land sind dies bereits um 1 bis 2 m/s höhere Werte. Offshore-Winde sind demnach erwartungsgemäß deutlich stärker als Winde im Onshore-Bereich. Des Weiteren kann von einer Zunahme der mittleren Windgeschwindigkeit von etwa 25% in Offshore-Gebieten mit 10 km Küstenentfernung gegenüber Küstenstandorten ausgegangen werden, die mit der weiteren Landentfernung ständig zunimmt.
Weiterhin sind die Windturbulenzen auf See aufgrund des Rauhigkeitsfaktors der Wasseroberfläche (im unbeeinflussten Bereich) wesentlich niedriger. Für Schätzungen des jeweiligen Offshore-Windprofils selbst kann hinsichtlich der Zunahme der Windgeschwindigkeit im Seebereich in Abhängigkeit von der Küstenentfernung im Übrigen auch auf transformierte Onshore-Statistiken in Verbindung zum Beispiel mit den in den kommenden Beiträgen vorzustellenden Methoden zur Approximation der Offshore-Windverhältnisse zurückgegriffen werden.
Besondere Betrachtung im Hinblick auf die Windverhältnisse erfordert darüber hinaus der unmittelbare Bereich vor der Küste bis zu einer Entfernung von etwa 5 km auf dem Meer, da in diesem Bereich der Übergang von den Windverhältnissen an Land, insbesondere der Gradient der Windgeschwindigkeitszunahme mit der Höhe, zu den Verhältnissen der offenen See stattfindet. Das bedeutet wiederum, dass bei der Aufstellung von Offshore-Windkraftanlagen eine solche Entfernung zum Land mindestens einzuhalten ist, um das Offshore-Windenergiepotenzial möglichst vollständig ausschöpfen zu können, da nur dann ein Mehrenergieertrag von ca. 30 bis 40% gegenüber einem Landstandort zu erwarten ist. Diese Erkenntnis ist besonders für die Ostseeküste von Bedeutung, zumal hier aufgrund des nicht vorhandenen Wattgebietes theoretisch eine Offshore-Aufstellung dicht vor der Küste möglich wäre.
Weiterführende Informationen zum Thema finden sich unter anderem im Buch „Windkraftanlagen: Grundlagen, Technik, Einsatz, Wirtschaftlichkeit“ von Erich Hau (Springer-Verlag, Berlin, 4. Aufl., 2008) sowie in der Studie „Offshore Wind Energy in the North Sea – Technical Possibilities and Ecological Considerations“ der Deutschen Windenergie-Institut GmbH, Wilhelmshaven.