Hybridregelkraftwerke

Um den Ausgleich der natürlichen, immer größer werdenden Schwankungen in der Stromerzeugung aus Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energiequellen wie zum Beispiel aus Sonne und Wind gewährleisten können, bedarf es flexibler Kraftwerke, die entweder über den Mechanismus der Stromspeicherung – wie beispielsweise die im letzten Artikel vorgestellten kyrogenen Speicher – bei Bedarf kurzfristig die umgewandelte und gespeicherte Energie bei erhöhtem Elektrizitätsbedarf wieder in Form von Strom in das Versorgungsnetz einspeisen oder systemdienstleistend über die sogenannte Regelenergie die Soll-Frequenz des Elektrizitätssystems stabilisieren können.

Auf den Themenbereich der Regelleistung wurde auf dieser Internetseite bereits in verschiedenen einschlägigen Artikeln eingegangen (zum Beispiel „Netzstabilität durch Regelenergie“, „Primärregelung durch Kondensatstau“ oder „Vorhaltung und Erbringung von Regelenergie“, siehe dazu auch die Kategorie „Systemdienstleistungen“). Um nun Regelenergie aus den eigenen Erzeugungseinheiten für den jeweiligen Anschluss-Übertragungsbetreiber (ÜNB) erbringen zu können, eignen sich für Kraftwerksbetreiber unter anderem auch klassische Batteriespeicher auf der Basis von leistungsfähigen Lithium-Ionen-Akkumulatoren, die für die sogenannte Primärregelung (PRL) vorgesehen sind und über ihre Netzkupplungen die abgerufenen Strommengen direkt an die jeweils angeschlossene Spannungsebene abgeben. Zusätzlich zu diesen singulären Speichern, die aufgrund ihrer Vorhaltung ausschließlich zu Zwecken der Systemdienstleistung nicht an den Energiemärkten partizipieren, können moderne Speichersysteme sowohl die Strom- als auch die Wärmeversorgung bewirtschaften und werden daher auch als Hybridkraftwerke bezeichnet, die aus einer Kombination von mindestens zwei verschiedenen, systemisch voneinander getrennten Energiespeicher- oder Antriebssystemen bestehen.

Das Energieversorgungsunternehmen swb aus Bremen hat im Frühjahr 2019 am Standort Hastedt ein solches Hybridregelkraftwerk (HyReK) mit einer installierten Leistung in Höhe von 15 MW auf der Mittelspannungsebene (10 kV) des dortigen Verteilnetzbetreibers (VNB) Wesernetz in Betrieb genommen. Die Anlage hatte dem für diese Regelzone verantwortlichen ÜNB TenneT zuvor ihre zuverlässige Leistungsbereitstellung von PRL im Rahmen eines sogenannten Präqualifikationsverfahrens nachgewiesen. Die zugrunde liegende Hybridtechnologie besteht hier in einer zusätzlich vebauten Komponente in Form eines Elektrokessels (E-Kessel), der nicht nur die Batterie des HyReK auflädt, sondern darüber hinaus auch eine Bereitstellung der überschüssigen Stromproduktion als Wärme für die Fernwärmeversorgung der Stadt ermöglicht. Dazu ist er mit dem ebenfalls auf dem Kraftwerksgelände stehenden Heizkraftwerk verbunden, von dem aus das HyReK beladen und dort somit überschüssiger Strom für künftige Einspeisungen von Regelungsenergie zwischengespeichert werden kann.

Wird nun außerhalb des symmetrischen Totbandes bzw. Toleranzbereiches der Netzfrequenz (50 Hz ± 10 mHz, d. h. 49,99 Hz bis 50,01 Hz) primäre positive Regelleistung vom zuständigen Bilanzkreiskoordinator (BIKO) für den Ausgleich seiner Regelzone bzw. des übergreifenden europäischen Verbundnetzes abgerufen, so wird die zuvor gespeicherte Energie aus der Batterie bereitgestellt und ins Stromnetz abgegeben. Umgekehrt wird im Falle eines negativen PRL-Abrufs und damit bei einer Aufnahme elektrischer Energie aus dem Netz diese schalttechnisch direkt auf den vorgenannten Elektroheizkessel geleitet, der den Strom in einem Ende 2017 in Betrieb genommenen angeschlossenen Wärmedruckspeicher mit einer Kapazität von 230 MWh lagert und die so gespeicherte Wärme bei Bedarf in das Fernwärmenetz der Stadt einspeist. Das regelfähige HyReK unterstützt in diesem Fall also dabei, einerseits das mit Dreiphasenwechselstrom betriebene Stromnetz bei seiner Nennfrequenz zu stabilisieren und andererseits die Wärmeversorgung Bremens aufrecht zu erhalten.