Inselnetze

In mehreren Artikeln auf dieser Internetseite wurde das Thema Verbundnetze angesprochen, zum Beispiel im Beitrag „Der optimierte Netzregelverbund (ONRV)“. Wenn diese elektrischen Energienetze sowohl galvanisch als auch räumlich abgetrennt vom übrigen Verbundsystem in einem vergleichsweise kleinen autarken Versorgungsbereich betrieben werden, so spricht man von Inselnetzen oder Micro Grids.

Die eigentliche geographische Größe des lokalen Verteilnetzes ist dabei nicht relevant. So kann es sich um ein abgegrenztes Elektrizitätsnetz innerhalb oder außerhalb eines bestehenden synchronisierten Verbundnetzes ohne direkten elektrischen Anschluss dorthin handeln, wobei es vom Versorgungsbereich her als kleinste Systemeinheit (mikro) die Stromversorgung eines nicht-gewerblichen Endverbrauchers (Wohneinheit einschließlich Peripherie) umfassen kann.

Entsprechend fungieren ein oder mehrere Erzeugungsanlagen aus konventionellen und / oder in der Regel erneuerbaren Energien als Einspeiser. So arbeiten die meisten autonom funktionierenden Micro Grids mit herkömmlichen Dieselgeneratoren oder Blockheizkraftwerken. Zusätzlich dazu sind in der Regel trotz ihrer teilweise fluktuierenden Strom- und Wärmeproduktion verschiedene Erneuerbare Energieanlagen wie Kleinkraftwerke mit den Primärenergieträgern Biomasse, Photovoltaik / Solarenergie, Wasser- oder Windkraft installiert und häufig auch miteinander kombiniert. Diese integrierten Energiesysteme können durch Wärmepumpen, Akkumulatoren (Batterien) oder Speicher ergänzt werden.

Ein einfaches Mikro-Inselnetz besteht schematisch demnach aus Erzeuger, Speicher und Verbraucher (siehe beispielhafte Abbildung; eigene Darstellung). Regeltechnisch ist ein Micro Grid im Gegensatz zum vorgelagerten Verbundnetz neben der unabhängig von anderen Elektrizitätsnetzen erfolgenden Eigenversorgung darauf ausgelegt, durch Sekundärregelung (auch Sekundärreserve) ausschließlich die Frequenz im Inselnetz konstant bzw. in den für die Systemstabilität tolerablen Bandbreiten zu halten. Die standardmäßige Leistungserbringung zur Stabilisierung der Übertragungsleistung auf den verschiedenen Kuppel- bzw. Verbundleitungen zwischen den einzelnen Teilsegmenten des Gesamtnetzes entfällt hier. Daher unterliegen sowohl die Nennfrequenz als auch die Nennspannung größeren Schwankungen, was den ordnungsgemäßen Netzbetrieb auch vor dem Hintergrund des nicht möglichen Stromaustausches (Bezug / Lieferung) mit anderen Netzen, den Anforderungen an das optimale Lastenmanagement sowie der Vorhaltung an zwingend erforderlicher Regelungsenergie (SRL) beeinträchtigen kann.

Um die Ausfallsicherheit dieser in sich geschlossenen regionalen Energiesysteme zu erhöhen, sollten im Inselkonstrukt mehrere dezentrale Kraftwerke als Einspeiser fungieren, die ihrerseits eine hohe Verfügbarkeit und Verlässlichkeit aufweisen sollten. So kann ein Ausfall einer Erzeugungsanlage ebenso wie ein Zu- oder Abschalten eines Verbrauchers je nach anteiliger Größe unter Umständen das Netz und damit dessen Stabilität kritisch beeinflussen. Daher ist bei der Konzeptionierung für den Notstromfall auch das Thema Schwarzstartfähigkeit der zum Einsatz kommenden Kleinkraftwerke von großer Relevanz. Inselnetze können mit Gleich- und Wechselstrom gleichermaßen arbeiten, allerdings ist der Betrieb mit dem auch im öffentlichen Stromnetz gängigen Dreiphasenwechselstrom (Drehstrom) üblich.

Neben der elektrischen Versorgungsautarkie können unabhängige Inselbetriebe auch aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen dem Verbundnetz vorgezogen werden, wenn zum Beispiel bei wirklichen Inseln eine infrastrukturelle Anbindung an das Stromnetz auf dem Festland mit höheren Investitionskosten verbunden ist. Dies ist etwa bei den europäischen Inselstaaten Island, Malta und Zypern aufgrund der großen Entfernung zum nächstgelegenen Festland der Fall, wenn die Verbindung zwischen Insel und Festland über eine Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) wie am Beispiel Gotland nicht praktikabel ist. Gleiches gilt für kaum besiedelte, geographisch isolierte, schwer erreichbare oder in großen Abständen voneinander entfernt liegende Regionen, zum Beispiel in Alaska. Auch West-Berlin wurde früher – hier allerdings aus rein politischen Gründen – zwecks Unabhängigkeit vom technisch verfügbaren DDR-Verbundnetz durch ein eigenständiges Energiesystem versorgt.

Bahnstromnetze stellen im weiteren Sinne Inselnetze dar, die über Kopplungen zum öffentlichen Stromnetz mittels entsprechender Umrichter- oder Umformerwerke verfügen. Ebenso besitzen Schiffe, Berghütten und Flugzeuge für ihre elektrische Energieversorgung derartige Inselnetze im weitesten Sinne, die daher auch als Bordnetze oder Inselanlagen bezeichnet werden. Zur Vermeidung eines Blackouts wird vom zuständigen Transportnetzbetreiber als eine weitere Notfallmaßnahme das übergeordnete synchronisierte Verbundnetz technisch für einige Zeit in mehrere kleine autarke Inselnetze aufgespalten, um trotz der Systemstörung vor, während oder nach einem solchen Schwarzfall sowie der nicht mehr gegebenen Synchronisation mit den anderen Teilnetzen (abweichende Eigenfrequenz) eine möglichst große bzw. weitreichende und dauerhafte Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Bestimmte Kritische Infrastrukturen (KRITIS) können ebenfalls mit einem autonomen Netz ausgestattet sein, wenn sie etwa eine höhere Versorgungssicherheit benötigen, wie dies zum Beispiel bei Kränkenhäusern der Fall ist.

In den Artikeln „Smart Grids I und II“ wurden sogenannte Intelligente Stromnetze vorgestellt. In Smart Grids werden Erzeugung, Speicherung und Verbrauch von Elektrizität über eine zentrale Steuerungstechnik zu jedem Zeitpunkt optimal aufeinander abgestimmt, um so Leistungsschwankungen zwischen Lieferung und Bezug innerhalb dieser Intelligenten Energienetze ausgleichen und somit das Versorgungssystem stabil halten zu können. Werden diese Netze nun nicht im Verbund-, sondern im Inselbetrieb ausgelegt, so spricht man demzufolge von Smart Micro Grids oder Micro Smart Grids.