Anlässlich des 15-jährigen Jubiläums dieser Internetseite – seit dem Gründungsartikel „Netzstabilität durch Regelenergie“ vom 25. November 2009 – an dieser Stelle zunächst ein herzlicher Dank an alle Leserinnen und Leser für die konstruktiven Feedbacks, die weiterführenden Anregungen sowie den interessanten Austausch rund um viele spannende Themen aus Energie- und Netzwirtschaft!
In elektrischen Stromnetzen ist vor dem Hintergrund einer kontinuierlichen Energieversorgung zu jeder Zeit die Systemstabilität zu gewährleisten. Insbesondere in hochbelasteten Netzen kann es jedoch zu ungeplanten Frequenz- und Spannungsschwankungen kommen, die unterschiedliche Auswirkungen auf das Netz sowie auf die angeschlossenen elektrischen Betriebsmittel haben können und somit entsprechende Regelmechanismen erfordern. Grundvoraussetzungen für einen stabilen Netzbetrieb stellen neben der Winkelstabilität (Eigenschaft von Synchrongeneratoren, nach einer Störung die sogenannte Synchronität und somit eine konstante synchrone Drehzahl zu wahren) demnach zum einen die Frequenzstabilität sowie zum anderen die Spannungsstabilität dar.
Stabilität der Frequenz bedeutet in diesem Zusammenhang die Eigenschaft eines elektrischen Energieübertragungssystems, eine stabile Nennfrequenz innerhalb zulässiger Grenzwerte mit nur relativ geringen Schwankungen im normalen Betriebszustand sowie nach Netzstörungen halten bzw. wiederherstellen zu können. Gleiches gilt für die Nennspannung an sämtlichen Netzknoten bzw. Anschlusspunkten innerhalb des elektrischen Verbundnetzes. Sowohl Frequenz als auch Spannung können in Abhängigkeit vom momentanen Zustand des Energieübertragungsnetzes technisch bedingt von ihren definierten Nennwerten nach oben oder nach unten hin abweichen. Das akzeptable Toleranzband liegt beispielsweise bei der Netzspannung bei einer maximalen Abweichung in Höhe von etwa ±10 Prozent um die Nennspannung. Da es technisch und wirtschaftlich weder sinnvoll noch möglich ist, ein Energieübertragungssystem für jede potenzielle Störung auszulegen, existiert ein automatischer Ausgleichsvorgang im Netz, der auch als Selbstregeleffekt des Netzes bzw. Netzselbstregeleffekt bezeichnet wird.
Dieser netztechnische Ausgleichsvorgang besteht darin, dass einige der an das Verteilnetz angeschlossenen Verbraucher automatisch ihre jeweilige Last zum Zeitpunkt der vorgenannten Abweichung entsprechend anpassen und so die Stabilität des Energiesystems wahren. Da die Last zu einem gewissen Anteil von der aktuellen Frequenz und Spannung im Stromnetz abhängig ist, wirkt diese Rückkopplung stabilisierend auf das Versorgungssystem. Dabei erfolgt eine solche Leistungsanpassung auf der Bedarfsseite in der Regel vorzeichengleich und proportional, das heißt dass sich die Last im Falle einer Unterfrequenz / -spannung reduziert und im umgekehrten Fall bei einer Überfrequenz / -spannung entsprechend erhöht. Vereinfacht kann hier von einem linearen Zusammenhang zwischen Netz und Verbraucher mit einer vernachlässigbaren Zeitverzögerung ausgegangen werden. Daher spricht man von einer Frequenz- bzw. Spannungsabhängigkeit der Lasten, wobei im synchronen europäischen Verbundnetz nur ein kleinerer Teil mit der Eigenschaft eines solchen Netzfolgebetriebs ausgestattet ist. Mathematisch ergeben sich hierbei demnach sowohl für die Frequenz als auch für die Leistung faktorabhängige Sprungfunktionen, die sich über die sogenannte Laststatik des Selbstregeleffekt des Netzes als Quotient aus Frequenzänderung und Lastsprung ergeben. Im Hinblick auf die vorgegebene Netzfrequenz, die über die Drehzahl der Synchrongeneratoren in den europäischen Erzeugungseinheiten einheitlich f = 50 Hertz [Hz = 1/s] beträgt, würde sich die bezogene Stromleistung der qualifizierten Lasten in Europa beispielsweise bei einem Rückgang von 1 Hz um etwa 1 Prozent reduzieren.
Ein frequenzabhängiges Lastverhalten im Verbundnetz weisen zum Beispiel Verbraucher wie ungeregelte asynchrone und synchrone Drehstrommaschinen oder auch direkt an das Netz gekoppelte Aggegrate der Leistungselektronik auf. Gemäß der Proportionalität zwischen der realen Momentanfrequenz des Stromnetzes und dem -bezug daraus folgt die von diesen Lasten bezogene Wirkleistung der jeweiligen Abweichung vom Nennwert der Frequenz (Frequenzsprung), so dass innerhalb kürzester Zeit trotz des festgestellten positiven oder negativen Frequenzdeltas die daraus resultierende Abweichung der Wirkleistung (Leistungssprung) durch das Netz- und Lastszenario ausgeregelt wird, da sich gemäß des angepassten Bezugsverhaltens bei der Leistungsaufnahme auch die physikalischen Lastflüsse im Verteilnetz für einen sicheren Weiterbetrieb des Netzes ändern. Auf diese Weise wird durch den stabilisierenden Selbstregeleffekt der Last einem drohenden Frequenz- bzw. Spannungszusammenbruch entgegengewirkt, so dass die Systemstabilität des operativen Netzbetriebs und somit des gesamten Verbundnetzes gesichert werden kann (Bildquelle: Gelsenwasser AG).