Netzwasserstillstand

Im Rahmen der Fernwärmeversorgung werden wie auch im Stromsektor in regelmäßigen und / oder bedarfsabhängigen zeitlichen Abständen unterschiedlich umfangreiche Revisionen des teilweisen oder gesamten Rohrleitungssystems notwendig, die im anlagentechnischen Sprachgebrauch auch als Netzwasserstillstand bezeichnet werden.

Ein Wärmenetz wird in der Regel durch die Betriebsparameter Druck und Temperatur der zentral oder dezentral zu erwärmenden und anschließend zu verteilenden Menge des Wärmeträgermediums, meist entsprechend aufbereitetes (deionisiertes und enthärtetes) Wasser, charakterisiert. Im Heiznetz unterscheidet man zwischen der örtlichen Wärmeerzeugung und -abnahme die beiden Teilsysteme für den Vor- und den Rücklauf des Netzwassers. Das Ziel der Versorgung der an das System angeschlossenen Kunden wird dabei in erster Linie durch die vorherrschende Last sowie die bestehende (auch hydraulische) Netztopologie bestimmt.

Im Hinblick auf die Infrastruktur ist jedoch nicht nur Anzahl und Lage der Ein- und Ausspeisestellen, sondern vor allem der sogenannte „kritische Kunde“ entscheidend. Dieser ergibt sich aus der größten räumlichen Entfernung zur Heizproduktionsanlage, da sich durch den längsten zurückzulegenden Weg gleichzeitig auch der höchste Druckabfall zwischen Quelle und Senke ergibt. Um den Prozessdruck im Netz aufgrund der natürlichen Druckverluste durch Strömung, Reibung, Wegstrecke etc. aufrechterhalten und auch den kritischen Kunden sicher versorgen zu können, müssen regelbare Netzpumpen in entsprechender Anzahl und Dimensionierung im Wärmezyklus installiert sein. Dazu muss der am Regelpunkt gemessene Differenzdruck an der am weitesten entfernten Last innerhalb bestimmter Grenzen liegen.

Proportional zur Leitungslänge verhält sich in diesem Kreislauf neben dem Druck auch die Temperatur des Heizwassers. Dabei unterscheidet man gemäß der beiden Teilsysteme zwischen Vor- und Rücklauftemperatur. Erstere steigt mit sinkender Außentemperatur und bewegt sich zwischen minimal 65 °C, um beim Kunden die zur Legionellen-Prophylaxe geforderten 60 °C für die Trinkwarmwassererwärmung sicherzustellen, und maximal 110 °C im Falle einer wärmeseitigen Höchstlast im Winter. Im Sommer kann diese je nach Außentemperatur bis auf 70 °C heruntergeregelt werden, um zusätzliche Wärmeverluste zu verringern. Zweitere liegt demgegenüber ganzjährig zwischen 65 und 70 °C. Die Vorlauftemperatur richtet sich nach Kriterien wie Kundenbedürfnissen, Netzkapazität, Erzeugungsmöglichkeiten und Temperaturbeständigkeit der Rohrleitungen, während die Rücklauftemperatur nicht vom Netzbetreiber, sondern durch die angeschlossenen Wärmeverteilsysteme auf der Kundenseite bestimmt wird.

Der wichtigste Grund für einen temporär erforderlichen Stillstand des Wärmeteilnetzes und damit der Kundenversorgung durch die am System angeschlossenen Wärmeerzeuger (z. B. Heizwerke, Wärmespeicher, KWK-Anlagen oder Spitzenkessel) sind wie bei Kraftwerken auch zum einen Reparatur-, Wartungs- und Instandsetzungsmaßnahmen infolge des natürlichen Verschleißes der Anlagenteile oder unterschiedliche einschlägige Prozessvorfälle im betrieblichen Ablauf, zu denen unter anderem der sogenannte „kalte Pfropfen“ (oder „kalte Proppen“) zählt. Ebenso stellt eine zu hohe Beladung des Netzwassers mit freien und / oder gelösten Gasen ein Problem dar, das zu Strömungsgeräuschen, Turbulenzen, Kavitation, Korrosion und durch die damit einhergehende Schlammbildung zu Zirkulationsstörungen im Verfahrenszyklus führen kann, wodurch sich wiederum der Wirkungsgrad des Gesamtsystems reduzieren oder es zu Komponentenschäden kommen kann.

Das für den Stillstand vorgesehene Wärmenetz wird vom übrigen Verteilnetz getrennt und das vorhandene Netzwasser (auch: Heiz-, Heizungswasser) rückstandslos aus dem System gepumpt. Anschließend können die Arbeiten im Heizwasserkreislauf, beispielsweise Schweißvorgänge an der Innenverrohrung, vorgenommen werden. Typischerweise werden Netzwasserrevisionen vom zuständigen Anlagenbetreiber parallel zu einem Stillstand einer in das betroffene Teilnetz einspeisenden Wärmeerzeugungseinheit terminiert. Ebenso werden diese aufgrund des dann deutlich geringeren Wärmebedarfs (U-Kurve) in der Regel in die Sommerzeit gelegt. Die Versorgung von Verbrauchern mit Fernwärme erfolgt dann über Redundanz, das heißt die Kunden werden über andere Wärmeerzeuger beliefert, die von der Revision nicht betroffen sind, aber ihre produzierte Fernwärme in dasselbe Verbundsystem einspeisen.