Im vorigen Artikel wurden Wasserkraftwerke zur Energiegewinnung aus Meereswellenkraft behandelt. Im Offshore- und Küstenbereich gibt es neben solchen die Wellenenergie nutzenden Produktionsanlagen auch sogenannte Osmosekraftwerke (OKW, auch: „Salzgradientenkraftwerke“, vgl. § 3 Pkt. 3 EEG), die ein natürliches physikalisches Prinzip zur Stromerzeugung nutzen: die Osmose.
Unter dem Begriff der Osmose (von griech.: „Antrieb“) wird im allgemeinen der gerichtete Fluss von bestimmten Teilchen durch eine halbdurchlässige, auch: selektiv- oder semipermeable Membran bezeichnet. Der daraus resultierende osmotische Druck ist in der Natur in jeder lebenden Zelle die treibende Kraft, die zum Funktionieren des Materie- bzw. Stofftransports beiträgt, so z. B. bei einem Baum der Wasser- und Nährstofftransport aus den Wurzeln bis in die Baumkrone. Biochemischer Hintergrund ist dabei die Trennung zweier unterschiedlicher Fluide infolge ihrer voneinander verschiedenen Salzkonzentrationen durch eine solche semipermeable Membran.
Naturgemäß sind die Lösungen (oder „Phasen“) infolge des bestehenden Konzentrationsgefälles bestrebt, in Form einer freiwillig ablaufenden Reaktion einen Ausgleich der beiden Konzentrationen und damit das sogenannte osmotische Gleichgewicht herzustellen. Die spezifische Trennschicht lässt aufgrund ihrer hinreichend geringen Größe jedoch nur Wassermoleküle passieren, nicht aber Salzionen, so dass ein chemisches Potenzial als Ungleichgewicht bestehen bleibt, das auf der Seite des Fluids mit der höheren Salzdichte infolge des größeren thermodynamischen Potenzials des Süßwassers einen physikalischen Überdruck in Höhe von maximal ~28 bar und somit osmotische Energie aufbaut.
Diesen natürlichen osmotischen Druck infolge des Dichtegradienten nutzen nun OKW, um über eine wassergetriebene Turbine Strom zu erzeugen. Die beiden Phasen sind aufgrund ihrer obligatorischen unterschiedlichen Salzkonzentrationen vorzugsweise Süß- und Salzwasser, so dass OKW idealerweise dort errichtet werden sollten, wo diesen beiden Fluide aufeinandertreffen, so z. B. an Küsten oder Fjorden, wo Flüsse (= Süßwasser; durchschnittlicher Salzgehalt < 0,1 Masse-%) in das Meer (= Salzwasser; Salinität ≈ 3,5 Masse-%) münden.
Als ein wegweisendes Pilotprojekt wurde am 24.11.2009 in Tofte, Norwegen, ein osmotisches Kleinstkraftwerk mit einer Spitzenleistung von knapp 10 kWel in Betrieb genommen. Dieser weltweit erste Prototyp seiner Art wurde am südlichen Oslofjord errichtet und wird vom norwegischen Staat und vom größten nationalen Stromerzeuger, Statkraft AS, Oslo, gemeinsam finanziert. Bei dem in dieser Anlage zur Anwendung kommenden selektivdurchlässigen Membranmodul handelt es sich um dünne Kunststoffhäute (Polymere), die auf der einen Seite vom salzigen Meer- und auf der anderen Seite vom süßen Flusswasser umspült werden und somit in Kontakt treten. Beide Phasen werden zuvor gefiltert, wobei das Salzwasser zusätzlich über einen Druckaustauscher unter Druck gesetzt wird. Nur die Wassermoleküle des Süßwassers dringen einseitig durch die Membran ins Salzwasser und evozieren dort einen natürlichen Überdruck, der seinerseits das so entstehende Mischwasser teilweise durch eine Turbine presst, deren Generator Strom erzeugt. Das Kraftwerk erreicht dadurch eine flächenbezogen spezifische Leistung von rund 3 W / qm² Membran.
Das Prinzip der Stromproduktion durch Osmose wird in der unten stehenden Abbildung schematisch veranschaulicht (Quelle: http://de.wikipedia.org/).
Fazit: Mit einer elektrischen Leistung von nur knapp 10 kW arbeitet das Kraftwerk zwar unterwirtschaftlich (für den wirtschaftlichen Betrieb einer Osmoseanlage wären ≥ 5 W/m² Membranfläche erforderlich) und vorerst nur im nicht konkurrenzfähigen Pilot- bzw. Demonstrationsbetrieb, aber es kann als eine weitere maritime Stromerzeugungsmöglichkeit auf dem Weg in die regenerative Energiewirtschaft einen wesentlichen Beitrag zu einer klimaschonenden Energieproduktion via Osmoseverfahren leisten.