Residuallast

In der Energie- oder Netzwirtschaft ist des Öfteren von einer sogenannten Residuallast (auch: residualen Last) die Rede. Dieser Terminus wurde auf dieser Internetseite bereits implizit im Artikel „Dunkle Flaute“ angesprochen, wo es um die volatile Einspeisung aus Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energiequellen sowie die gleichzeitig im Netz anfallende und somit zu deckende Last in Abhängigkeit von Saisonalität und Wetter bzw. Klima geht.

Aufgabe der einzelnen Netzbetriebsführungen der für die deutschen Regelzonen und Bilanzkreise zuständigen Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber ist es, die durch Industrie-, Gewerbe- und Haushaltskunden anfallende Gesamtlast durch die verfügbare zentrale oder dezentrale Einspeisung von Elektrizität aus Erzeugungsanlagen unterschiedlicher Primärenergieträger (Grau- und Grünstrom) sowie durch Strombeschaffung über die Energiemärkte (Handel) möglichst exakt zu decken.

Daraus folgt eine weitere energiewirtschaftliche Herausforderung für den Lastverteiler in Form der Abgabe einer möglichst genauen und belastbaren Prognose über die zu erwartende Einspeiseleistung einerseits sowie über die zu erwartende Netzlast andererseits. Bezüglich der hohen Anforderungen an die Prognosegüte kommt es in der Regel zu einer Differenz dieser beiden Größen, da sowohl Erzeuger als auch Verbraucher ihrerseits ein von vielen Faktoren abhängiges volatiles Verhalten aufweisen. Auf der Kundenseite wird – je nach vertraglich vereinbarter Bezugsmenge des Konsumenten – das zu erwartende Verbrauchsverhalten durch repräsentative Standardlastprofile (SLP) sowie registrierende Leistungs- oder Lastgangsmessungen (RLM) bestmöglich prognostiziert.

Im Hinblick auf die Erzeugungsmengen werden unter Einbeziehung der jeweils aktuellen technischen, marktwirtschaftlichen und meteorologischen Rahmenbedingungen aus der kontinuierlichen Kraftwerkseinsatzplanung vom Anlagenbetreiber für den Day Ahead- und den Intradaybereich regelmäßig aktualisierte Stromfahrpläne in viertelstündlicher Granularität erstellt (Stundenraster bei Erdgas) und automatisiert an den für die Anschlussebene verantwortlichen Netzbetreiber versandt, der über die Gesamtheit aller Einsatzplanungen so die potenzielle kumulierte Einspeisung in sein Strom- oder Gasnetz abschätzen kann.

Das resultierende Delta wird je nach Ein- und Ausspeisesituation in der Realität entweder positiv (Unterdeckung: Last > Erzeugung) oder negativ (Überdeckung: Last < Erzeugung) ausfallen. Hinsichtlich der Erzeugerseite muss dabei zwischen konventionellen und erneuerbaren Anlagen zur Stromerzeugung differenziert werden. Im Gegensatz zu thermischen Kraftwerken, die als Primärenergieträger fossile Brennstoffe wie Kohle, Gas oder Öl verfeueren, ist die durch Sonne und Wind regenerativ erzeugte Elektrizität in einem hohen Maße von den am Standort vorherrschenden saisonalen, klimatischen und meteorologischen Gegebenheiten abhängig.

So verzeichnen Photovoltaikanlagen bei Dunkelheit / Nacht bzw. ausbleibender Sonneneinstrahlung und Windkraftanlagen bei Windstille oder Schwachwind eine deutlich geringere Stromproduktion als das jeweilige Tagesmittel. Aber auch zwischen diesen beiden regenerativen Energiequellen bestehen hinsichtlich ihrer durchschnittlichen Jahreserzeugungsprofile Unterschiede: Während die Einspeiseleistung von PV-Anlagen im Sommer deutlich größer als im Winter ist, verhält es sich bei Windkraftanlagen in der Regel gegenläufig. Erneuerbarer Strom erweist sich in Bezug auf seine Einspeisung daher sehr volatil und eignet sich somit nicht zur Grundlastdeckung.

Um rechnerisch nun die Residuallast (von lat. residuum: Rückstand / Fragment / Rest; engl.: residual load) zu erhalten, muss die anfallende Strommenge bzw. -leistung aus den einspeisenden erneuerbaren Kraftwerken, die nicht abgeregelt werden kann oder soll, zunächst von der Gesamtlast abgezogen werden. Über die dann verbleibende Restmenge bemisst sich, welche additive Produktionsmenge durch die konventionellen Kraftwerke gegebenenfalls noch bereitgestellt werden muss, um den entstandenen Stromverbrauch vollständig decken zu können. Ein monetäres Incentive für Anlagenbetreiber zur Erhöhung ihrer Prognosegüte ist die Abrechnung bzw. Bepreisung der resultierenden Differenzmengen Last vs. Erzeugung in Form der sogenannten Ausgleichsenergie.

Die thermischen Erzeugungsanlagen – aber auch Speicher – müssen als klassische Grund- und Mittellastkraftwerke demzufolge nicht nur die Last vollständig und flexibel decken können, sondern darin enthalten durch entsprechende Regelleistung auch die abweichende Mehr- oder Minderproduktion der fluktuierenden erneuerbaren Anlagen kompensieren. Neben dem Einfluss des Wetters auf die Einspeisung von Wind- und Solarenergie wird auch das verbraucherseitige Lastverhalten maßgeblich durch den Standort und die Temperatur bzw. die Jahreszeit / Saison geprägt.

Die Restlast kann aus diesen Gründen nur schwer prognostiziert, aber zum Beispiel mit Hilfe eines adäquaten Last- bzw. Demand-Side-Managements über die Steuerung und Anpassung der Nachfrage in einem intelligenten Stromnetz verringert werden. Nähere Informationen zu den in diesem Beitrag angesprochenen Themen finden sich auf dieser Internetseite unter anderem in den Artikeln „Sonnenenergie“, „Windenergie“, „Dunkle Flaute“, „Ausgleichsenergie“, „Smart Grids“, „Regelenergie“, „Bilanzkreise“, „Fahrplanmanagement“ oder „Energiehandel“.